„Das ist eben Rotkreuz-Arbeit“
Verbunden mit dem Roten Kreuz
Vorspann
In Zeiten der Corona-Krise sind sie gefragter denn je – die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes. Allein in den DRK-Bereitschaften in Niedersachsen stehen rund 6.900 Ehrenamtliche für einen Krisen- oder Katastrophenfall zur Verfügung. Anhand der Rot-Kreuz-Biographie des Celler Heinrich Stephan lässt sich nachvollziehen, wie vielfältig sich die Mitglieder einbringen, um die Aufgaben des Deutschen Roten Kreuzes zu erfüllen.
„Das ist eben Rotkreuz-Arbeit“
Er zeigt wenig Rührung, als ihm die höchste Auszeichnung, die das Rote Kreuz für ehrenamtliche Mitglieder zu vergeben hat, überreicht wird. Vielleicht weil seine Arbeit schon einmal im lettischen Riga mit demselben „Ehrenzeichen“ gewürdigt wurde oder weil er bei Katastrophen wie dem ICE-Unglück in Eschede, den verheerenden Waldbränden in der Region oder den Überschwemmungen in allen Teilen Deutschlands im Einsatz war.
„Man braucht ein dickes Fell“, sagt Heinrich Stephan. Er ist 75 Jahre alt und seit seinem 24. Lebensjahr Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Dabei war der Start im März 1969 unspektakulär. Er wohnte in Lachendorf und absolvierte in Gockenholz einen Erste-Hilfe-Lehrgang. „Das hat mir gefallen“, erinnert er sich. Heute gehört er dem Präsidium auf Kreisebene als Beisitzer an und blickt auf 51 Jahre freiwilliges Engagement zurück. Das Ehrenamt des Roten Kreuzes wird überall dort sichtbar und wirksam, wo Menschen Hilfe benötigen, es gliedert sich in die vier Bereiche Bereitschaften, Jugendrotkreuz, Breitenausbildung und Sozialdienst. Der mittlerweile in Celle lebende Stephan war übergreifend tätig.
AUSBILDER UND AUSLANDSBEAUFTRAGTER
„Du hast viel Arbeit geleistet, die wirklich ihresgleichen sucht. Aus den Annalen des Kreisverbandes bist du nicht wegzudenken“, würdigte Präsident Ulrich Kaiser das Urgestein in seiner Laudatio bei der Verleihung des „Ehrenzeichens“ auf der Mitgliederversammlung Ende des vergangenen Jahres. Kaiser zeigte sich beeindruckt von der enormen Bandbreite seines Wirkens, die vom Schwerpunkt der Ausbildertätigkeit für Erste Hilfe über Einsätze bei Katastrophen, das Amt des Auslandsbeauftragten bis zur Betreuung von Ferienerholungsmaßnahmen und Schulsanitätern sowie nicht zuletzt der Leitung des Seniorenkreises für ehemalige Rotkreuzler reicht. „Ja, die sind wichtig, sie zeigen, dass das, was man gemacht hat, auch anerkannt wird“, antwortet Stephan auf die Frage, was ihm die Auszeichnungen bedeuten.
Stetig hat er sich in zahlreichen Lehrgängen und Seminaren selbst weitergebildet – Konfliktbewältigung, humanitäres Völkerrecht und Forum Sanitätsdienst sind nur einige Themen einer langen Liste, die zeitlich von 1970 bis 2013 reicht. 51 Jahre im Dienst der Rotkreuz-Familie – ein Füllhorn für Geschichten und Erfahrungsberichte. Heinrich Stephans Erzählungen lassen schnell eine persönliche Favoritenliste erkennen. „Das ist eben Rotkreuz-Arbeit“, sagt der gelernte Bauzeichner im Hinblick auf Einsätze bei Unfällen und Katastrophen. „Vier Wochen haben wir 1981 Schnellmontagehäuser in Teora nach dem Erdbeben in Italien gebaut. 2002 das Hochwasser-Desaster. Beim ICE-Unglück haben wir die Verletzten versorgt“, blickt der Familienvater zurück. Natürlich hat diese Form von Hilfe gewichtigen Anteil in der Bilanz seines freiwilligen Engagements. Doch eine Facette dieser Arbeit auf Kreisebene liegt ihm besonders am Herzen. Wer sich im Roten Kreuz engagiert, ist Teil einer weltweiten Gemeinschaft. Heinrich Stephan hat dieses internationale Moment der Organisation unmittelbar in seiner Funktion als Auslandsbeauftragter des DRK-Kreisverbandes Celle erfahren dürfen. „Wir haben diverse Hilfsgütertransporte nach Lettland gebracht“, nennt er als Beispiel für Kontakte zu Rotkreuz-Vereinigungen im europäischen Ausland. Die Kooperation mit der Rotkreuz-Gesellschaft des baltischen Staates hat er im Jahr 2002 federführend angebahnt und mehr als ein Jahrzehnt begleitet. Reisen führten ihn auch nach Weißrussland und Litauen. Zu einer dauerhaften Partnerschaft kam es nur mit Lettland. Doch dieses mag sich langfristig ändern. Die Celler haben die Grundlagen geschaffen, indem sie seit 16 Jahren Camps für einen internationalen Jugendaustausch organisieren, zu denen auch die Ukraine und Weißrussland eingeladen werden und diese der Einladung gerne folgen.
SAMMLER UND CHRONIST
Heinrich Stephan war zehn Jahre lang stets Teil dieser Begegnungen, bis er den Posten des „Außenministers“ an seinen langjährigen Weggefährten Klaus Werner Bunke übergab. Auch Bunke kommt auf 50 Jahre Mitgliedschaft, die beiden Urgesteine wissen alles über die ehrenamtliche Arbeit eines Rotkreuzlers und berichten gerne über Erlebtes und Erlerntes. Wie sehr sich Heinrich Stephan verbunden fühlt mit der Rotkreuz-Familie, wird neben den großen Linien des Wirkens auch an etwas Kleinem, eher Privatem deutlich. „Kommen Sie mit in den Keller“, fordert er auf, und hier erwartet den Besucher ein Raum, der Rotkreuz-Utensilien in jeder Form und Farbe birgt. Stephan sammelt alles, was es zu sammeln gibt: Tassen, T-Shirts, Taschen und vieles mehr. „Sehen Sie hier, so sahen die Rettungswagen früher aus“, sagt er und zeigt seine Fahrzeugflotte. Highlight des Bestandes ist eine handgefertigte ausrollbare Chronik.
Die Frage nach dem grundlegenden Motiv für seine Leidenschaft lässt er offen. „Ich weiß es nicht“, sagt er und berichtet zum Abschluss von einer weiteren Tätigkeit, die nichts mit dem Roten Kreuz zu tun hat und die er seit seiner Berentung ausübt, nicht weil er es müsste. „Ich fahre Taxi, und ich mag es einfach, meinen Fahrgästen zu helfen.“
Text und Fotos: Anke Schlicht